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Alt 25.10.2005, 20:41   #1
DEF
Blindfisch
 
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DEF befindet sich auf einem aufstrebenden Ast
Auf dem Arbeitsamt in Dachau

Einfach unglaublich diese Geschichte

Da mein Arbeitsverhältnis an der TU München aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrages am 29.02.04 endete, nahm ich meine Rechte als deutscher Staatsbürger wahr und meldete mich arbeitslos. Um an das Arbeitslosengeld
zu kommen, muss man sich allerdings einmal zwangsberaten lassen. Man bekommen also irgendwann mal eine schriftliche Einladung, bzw. Vorladung
und muss dann zu diesem Termin erscheinen.


Am Freitag, dem 05.03.04 fand also mein großer Auftritt in der
Bundesagentur für Arbeit in Dachau statt.

Ich erscheine pünktlich um 10:00, klopfe an die Tür meiner persönlichen
Beraterin aber es ist noch niemand
da. Ist auch nicht weiter schlimm, dann warte ich halt noch ein wenig.
Kurz darauf kommt die Bundesagentin für Arbeit den Gang herunter, schliesst die Türe auf, an der ich geklopft
habe und geht hinein. Ich denke
mir "coole Sache" und gehe hinterher. Ohne sich umzudrehen sagt sie:
"Herr Streifinger"
"Ja"
"Sie haben einen Termin?"
"Ja"
"Sie werden aufgerufen!"
Na gut, geh ich halt wieder raus und mach die Tür hinter mir zu. Gleich
drauf geht die Tür wieder auf:
"Herr Streifinger!"
GRMPF. Ich kämpfe ein wenig gegen meinen dicken Hals, beschliesse aber,
höflich zu bleiben und trete
ein.
Ich: Guten Morgen.
Bundesagentin für Arbeit: - Sie schaut mich nicht mal an. Starrt nur einige Minuten auf ihren Monitor
und blättert irgenwo rum.
Bundesagentin für Arbeit: Sie sind Diplom-Informatiker?
Ich: Ja.
Sie versucht auch gar nicht, irgendwie höflich zu wirken. Sie spricht es
nicht aus, aber es ist ganz klar: "Ich entscheide selber, zu wem ich höflich bin. Und Du lästiger arbeitsloser
Winsler gehörst heute nicht dazu."
Bundesagentin für Arbeit: Sie wollen eine Stelle als Projektingenieur?
Pause. ---
Das geht ja gar nicht!
Ich: Warum soll das nicht gehen?
Bundesagentin für Arbeit: Sie haben ja gar keine Ausbildung.
Häää ???
Ich: Nun gut, ich habe promoviert. Ich glaub schon, dass das eine
Ausbildung
ist.
An dieser Stelle muss man anmerken, dass ich bereits bei meinem ersten
Termin schon diverse Formulare ausgefüllt habe und meinen Lebenslauf, natürlich mitsamt der Ausbildung ausführlich geschildert habe. Ebenso wie
diverse sonstigen Kenntnisse, die mich für eine etwaige Anstellung
qualifizieren könnten.
Bundesagentin für Arbeit: Sie sind Informatiker! Wie kommen Sie auf die
Idee, eine Stelle als Projektingenieur zu bekommen?
Ich: Na ja, ich habe eben promoviert und denke, dass so eine Stelle ganz
gut
zu meiner Ausbildung passen würde.
Bundesagentin für Arbeit: Ja was promoviert? Sind sie Techniker?
Das ist zuviel. Ich muss laut lachen. Ja, klar. Ich hab mein Diplom
gemacht und dann als Weiterbildung noch in drei Jahren den Techniker drangehängt. Eigentlich wollte ich noch
meine Gesellenprüfung machen,
bevor ich mir einen Job als Projektingenieur suche.
Ich: Nein, ich bin kein Techniker. Ich habe promoviert. Ich habe eine
Doktorarbeit
geschrieben und bereits im Dezember eingereicht.
Bundesagentin für Arbeit: Ja wie Doktor? Das hätten Sie schon angeben
müssen.
Ich hab’s angegeben...
Ich: -
Sie liest wieder auf Ihrem Monitor... Bundesagentin für Arbeit: Seit Dezember 2000 Promotion an der TU München.
Ja und? Als was?
Glauben Sie, das kann ich riechen?
Riechen wirst Du's nicht können, aber lesen vielleicht. Ich hab’s
jedenfalls auch angegeben... Langsam geht’s
mir auf die Nerven... Ich versuche trotzdem ruhig zu bleiben. Wenn ich
jetzt mit dem Fachgebiet Höchstfrequenztechnik
ankomme, dreht die Agentin hohl...
Ich: In Hochfrequenztechnik
Bundesagentin für Arbeit: Ja und? Was ist das?
Ich: Hochfrequenztechnik ist ein Teil der Elektrotechnik und die wiederum
ist ein Ingenieursfach.
Bundesagentin für Arbeit: Was haben Sie denn nun studiert?
Macht die das mit Absicht?
Ich: Ich habe Informatik studiert und in Hochfrequenztechnik promoviert.
Meine persönliche Agentin verzieht das --- nennen wir es Gesicht,
schüttelt den Kopf, schnauft laut und tippt
irgendwas in den Rechner.
Bundesagentin für Arbeit: Was haben Sie für Berufserfahrung?
Aha. Promotion in einem Ingenieursfach und eine Bewerbung als
Projektingenieur geht also scheinbar zusammen.
Oder sie hat aufgegeben.
Wenn ich Ihr jetzt erzähle, dass ich frisch von der Uni komme und daher
KEINE Berufserfahrung habe,
platzt sie. Also bin ich gaaaanz vorsichtig.
Ich: Was habe ich denn zur Auswahl? Oder soll ich einfach mal aufzählen,
was ich alles gelernt habe?
Bundesagentin für Arbeit: Ja, erzählen Sie mal.
Mist. Das wird nicht leicht. Aber vorsichtig sein kommt gut an. Die
Agentin wird etwas ruhiger.
Ich: Puuh. Das ist ein weites Feld.
Bundesagentin für Arbeit: Haben Sie PC-Kenntnisse?
Neiiiin, ich muss sterben. Ich fall fast vom Stuhl vor lachen.
Ich: Entschuldigung. Ich habe 5 Jahre Informatik studiert. Ich denke
schon,
dass ich PC-Kenntnisse hab.
Lachen war nicht gut. Die Agentin verspannt sich wieder.
Bundesagentin für Arbeit: Ja was können Sie denn?
Na gut, ich versuche wieder ernst und freundlich zu bleiben.
Ich: Ich habe sehr gute Kenntnisse in verschiedenen Office-Paketen,
Datenbanken,
Programmierung, ...
Die Agentin fällt mir ins Wort. Ich glaub, sie hat irgendwas gehört, das
sie auch kennt.
Bundesagentin für Arbeit: Datenbanken? Welche Datenbanken kennen Sie denn?
Ich: Alle.
Jetzt ist sie richtig sauer. Sie schreit mich fast an.
Bundesagentin für Arbeit: Alle? Wissen Sie eigentlich, wie viele
Datenbanken es gibt? Soll ich etwa
hinschreiben, ALLE?
Gibt’s da echt so viele?
Ich: Ich habe 5 Jahre lang Informatik studiert. Ich weiß ziemlich gut,
wie
viele Datenbanken es gibt. Wissen Sie, wie das Studium angelegt ist? Da
lernt man die Grundlagen. Ich KANN mit ALLEN Datenbanken arbeiten.
Jetzt ist sie beleidigt, oder so was.
Bundesagentin für Arbeit: Na gut, schreib ich rein ALLE. Nach einer kurzen Pause wird sie wieder unglaublich laut. Ich glaub, sie
denkt, sie hat mich jetzt erwischt.
Bundesagentin für Arbeit: Und Programmiersprachen? Soll ich da auch
Reinschreiben alle?
Also eigentlich ist mir scheißegal, was Du da reinschreibst. Job bekomme
ich von Euch eh keinen. Mit meinen
PC-Kenntnissen reicht’s höchstens zur Sekretärin.
Ich: Nein, nicht alle. C, C++, Cobol. Diverse Skriptsprachen, aber wieder
zu
viele, um sie aufzuzählen. Außerdem habe ich sehr gute Unix Kenntnisse.
Bundesagentin für Arbeit: Was JUNIK? Was ist denn JUNIK? Doch, sicher. Das ist Absicht. Ich muss aber trotzdem ziemlich lachen. Das
macht sie natürlich wieder sauer.
Es wird wohl noch ein Weilchen dauern, bis ich ihr Lieblings-Arbeitsloser
bin.
Ich: Ich buchstabiere: U-N-I-X. Das ist ein Betriebssystem.
Bundesagentin für Arbeit: Wenn Sie bei uns geführt werden wollen, dann
müssen Sie mir schon
diese Fragen beantworten.
Wo willst Du mich denn hinführen?
Ich: Ja schon klar. Ich denke aber, ich kümmere mich besser selber um
einen
Job. Sie brauchen mich nicht zu vermitteln.
Dann wollte ich noch wissen, wann ich wohl mit meinem Arbeitslosengeld
rechnen kann. Dazu konnte die
mir aber keine Auskunft geben. Wahrscheinlich hatte sie auch gar keine
Lust mehr.

An den Leser:
Das ganze ist tatsächlich so gewesen, wies da steht. Ich habe keine
Konversation dazugedichtet oder weggelassen. Falls Du Herr Gerster oder Herr Schröder heißt, dann ruf mich mal an. Ich
weiß jetzt, wo das viele Geld hin ist.
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