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Alt 07.02.2008, 18:34   #5
HE-MAN
DJURADJ
 
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HE-MAN befindet sich auf einem aufstrebenden Ast
AW: ich bin Ausländer und (nicht) kriminell

hier nochmal der aussagekräftigste absatz

Zitat:
17 Jahre habe ich jetzt schon in der Schweiz verbracht, und meine Erfahrungen zeigen: Keins der Klischees über die Einwanderer aus dem ehemaligen Jugoslawien stimmt, und alle sind wahr. Im kleinen Glarnerland, das nach der Abstimmung über die Einbürgerungsinitiatve als rückständig und fremdenfeindlich bezeichnet wurde (über 70 Prozent stimmten mit Nein), kann jemand mit dem Namen Cetojevic Karriere machen. Im selben Kanton wird derselbe Jemand Götti eines Glarner Buben. Im selben Kanton entwendet im vergangenen Jahr ein 16-Jähriger aus Serbien das Auto seiner Mutter und rast mitten in Glarus in ein Schaufenster. Im selben Kanton prangen schon seit drei Jahren Graffiti «Balkis usä» an den Wänden.

So wie diese Realitäten auseinanderklaffen, so verschieden sind auch die Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien in der Schweiz. Sie sind profilierte Hochschulprofessoren und hochgradig Kriminelle, angesehene Ärzte und schamlose Betrüger, erfolgreiche Geschäftsleute und feige Frauenbelästiger, kompetente Ingenieure und Wottsch-Puff-Schläger, einfache Hilfsarbeiter und rücksichtlose Raser. Sie gehören allen möglichen Nationalitäten an, einige stammen auch aus Mischehen. Die meisten von ihnen können sich untereinander sehr gut verständigen, und oft klappt’s mit der Verständigung nicht. Der Ausdruck «Jugo» (abgeleitet von Jugoslawen, dt. Südslawen) trifft heute, strenggenommen, auf keinen von ihnen zu, weil es kein Jugoslawien und keine Jugoslawen mehr gibt. Und trotzdem werden alle irgendwie von diesem Ausdruck tangiert – vom Hochschulprofessor bis zum Kriminellen. Dass das so ist, hängt einerseits mit hartnäckiger Ignoranz zusammen und andererseits mit purer Bequemlichkeit. Trotz den zementierten Jugo-Vorurteilen pflegt die grosse Mehrheit von Schweizerinnen und Schweizern bei persönlichen Kontakten einen ganz normalen Umgang mit den Einwanderern, sobald sie die kennen. Die Herkunft spielt nach einer Weile eigentlich gar keine grosse Rolle mehr. Die Beziehungen reduzieren sich aufs Zwischenmenschliche: Mag ich die oder den oder nicht. Falls dabei der Jugo-Sündenbock-Mechanismus zur Sprache kommt, heisst es sofort: «Du bist ja ganz anders, aber es gibt…»

Und es gibt sie, die Raser, die Drogendealer, die Diebe, die Schläger und die andern, die mehr oder weniger kriminelle Energie an den Tag legen. Sie hart zu bestrafen, ist die Aufgabe der Justiz. Diesen Wunsch äussern die Ausländer aus Slowenien, Kroatien, Bosnien und Herzegowina, aus Serbien und Montenegro, Kosovo oder Mazedonien gleich vehement wie die Schweizerinnen und Schweizer. Was sie nicht möchten, ist, dass auch sie jedes Mal mitbüssen müssen.

Im September des vergangenen Jahres stand in Zürich ein 19-jähriger Kroate vor Gericht, der einen 16-jährigen Schweizer ins Gesicht geschlagen hatte. Die zuständige Richterin rügte ihn, er tue damit seinen Landsleuten keinen Gefallen. Ich bin ebenfalls Kroate. Dass ein anderer, mir völlig unbekannter Mann gleicher Nationalität irgendwo jemanden geschlagen hatte, genügt im Augenblick, mich amtlicherseits und öffentlich auch ein wenig ins schlechte Licht zu rücken. Das ist absurd.

Traurig ist, dass diese Sippenhaftung mittlerweile sogar zur Grundlage unternehmerischen Handelns wird. Oder wie lässt es sich erklären, dass Autoversicherungen nun beginnen, eine neue Risikogruppe zu definieren, die allein auf der balkanischen Herkunft basiert. Ich frage mich: Was machen sie mit einem Schweizer Bürger, der zum Beispiel Melunovic oder Rama heisst? Sind diese beiden Fussballspieler der Schweizer Nationalmannschaft nun wegen ihrer Herkunft automatisch ein Risiko auf den Schweizer Strassen? Oder sinkt dieses Risiko automatisch nach dem Erhalt des Schweizer Passes? Oder bekommen sie einen Brief, in dem steht: «Sehr geehrter Herr Rama / Melunovic, Sie selbst sind ja ganz anders, aber es gibt…»

Das grösste Risiko für die Integration der Zuwanderer aus Kosovo, Kroatien, Serbien, Bosnien oder Mazedonien ist die Situation der jungen Leute mit mangelhafter Bildung. Denn darin liegt die Ursache ihrer schlechten Zukunftsaussichten, ihrer Frustration und ihrer Straffälligkeit. Schuld daran ist aber nicht die Gesellschaft, schuld sind in erster Linie ihre Eltern, die sich weigern, am Leben in der Schweiz wirklich teilzunehmen. So sind sie für ihre Kinder keine Leuchttürme im stürmischen Meer des Erwachsenwerdens. Hier gilt es anzusetzen, nüchtern und tatkräftig. Jede Art von Hysterie ist dabei fehl am Platz. Genauso wie Tabus.


gruss HE-MAN
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